Route 2002

( interaktive Landkarte )


Einleitung 

Nach der negativen Erfahrung letztes Jahr mit vollen Fähren nach Island wollte ich dieses Jahr auf Nummer sicher gehen und fragte bei Smyril-Line  an. Da ich meine Reisen stets spontan plane, war ich typischerweise sehr spät dran. Für die Hinfahrt war nur noch ein Termin Mitte August und zurück einer Mitte September frei. Das war mir aber defintiv zu spät, hatte ich doch von Bodenfrost und Herbststürmen im September gelesen, zudem schliessen die meisten Campingplätze Ende August. So verschob ich Island auf später und habe auch den Vorteil, mit der neuen Norröna zu reisen. Smyril hat dieses Jahr die über 20 Jahre alte Fähre durch eine neue ersetzt und damit die Personenzahl von 1100 auf 1500 und die Autozahl von 300 auf 800 angehoben. 
Beim Blättern im Reiseteil meiner Tageszeitung las ich: Auf den Spuren Draculas. Mit faszinierenden Bildern und begeisternden Texten wurde Rumänien vorgestellt. Ich konnte das kaum glauben, denn gemäss Vorurteil hierzulande ist Rumänien ein am Boden liegendes Land mit Horden von Räuberbanden. Ich überlegte, dennoch nach Rumänien zu fahren und tat dies meinen Kollegen kund. Sie meinten nur, ob ich noch bei Trost sei. Die gleiche Reaktion hatte ich auch 1999 vor meiner Baltikumsreise erlebt und hatte dann auf der Reise keine Probleme. Auch dieses Jahr hoffte ich auf eine Reise ohne negativen Zwischenfälle, so erkundigte ich mich vorsichtshalber beim Rumänien-Reiseexperten "Karpatenwilli" . Wilhelm Scherz antwortete mir in seiner E-Mail: 
Richtig ist, dass die Kriminalität in ländlichen, vor allem Gebirgsgegenden zum Teil vernachlässigbar gering ist. Aber auch hier gilt, keine Regel ohne Ausnahme. In der Wallachei würde ich darauf keineswegs vertrauen und in ausgesprochenen Zigeunergegenden auch nicht (und dazu gehören leider heute viele ehemalige deutsche Siedlungen, wo Zigeuner massiv in die verlassenen Häuser gezogen sind). Insgesamt aus meiner Sicht: Die Kriminalität gegenüber Ausländern ist leider heutzutage überall in Ost- oder Südeuropa groß. Ohne entschiedene Vorsicht und ständiges Mitdenken läuft man fast überall Gefahr, Opfer zu werden. Rumänien ist da bloß eine Gefahrenzone unter vielen, eigentlich keine besonders herausragende und wer sich nach Spanien oder Italien traut, der kann getrost auch hierhin fahren.
 Im Internet las ich noch einige Artikel über Rumänien. Einer war von einem Motorradfahrer, der von einem rumänischen Bauern niedergeschlagen wurde und nie mehr einen Fuss nach Rumänien setzt. Aber die meisten Rumänienurlauber waren begeistert und lobten sehenswerte Städte, Gastfreundschaft und unberührte Landschaften. Ein Konsens herrschte in allen Berichten: Die Strassen sollen in einem katastrophalen Zustand sein. Hiervon konnte ich mich dann auch selber überzeugen, doch davon später...


25. Juli Zürich München 300 km

Wie die vorangehenden Jahre packte ich meinen Burgman bei strömendem Regen. Dies hat aber auch einen Vorteil: Das Wetter kann nur besser werden! Und siehe da, bis Landsberg blieb es trocken. Kurz vor München geriet ich in den nächsten Schauer, doch beim Camping angelangt war es ideal trocken, um das Zelt in aller Ruhe aufzustellen. Die Ruhe wurde höchstens durch herannahende, pechschwarze Wolken gestört. Zudem musste ich mit Schrecken feststellen, dass ich die Zelthäringe zuhause vergessen hatte. Ich erinnerte mich an die gute Infrastruktur in München und eilte zum Laden, doch dieser war schon geschlossen. Eine junge Frau vom Kiosk nebenan fragte mich, was ich denn so dringend brauche. Als sie von meinem Notstand erfuhr, verschwand sie im Laden und kam mit einem Büschel Zimmermannsnägel zurück. Diese sind zwar schwerer als Aluminiumhäringe und rosten auch, dafür sind sie robust und kein Boden ist für sie zu hart. Auf der Reise lernte ich die massiven Nägel zu schätzen, vor allem wenn andere ihre Häringe in steinigem Gelände verbogen und sich grün und blau darüber ärgerten. Meine Zeltnachbarn sahen aus wie Hippies aus den 68ern. Sie beichteten mir ihr Leid, dass sie nach nicht einmal einer Woche Urlaub bereits wieder in den Norden zurückmüssten. Eine defekte Kupplung am Auto hatte das ganze Feriengeld verschlungen und so wurde nichts aus der Reise ins Südtirol. Als ich ihnen meine Pläne mit Rumänien schilderte, meinten sie vorurteilsvoll, dass ich meinen Roller ja gleich hier verschenken könne.


26. Juli München Cheb 260 km

Am Morgen regnete es in Strömen, sodass ich Gelegenheit hatte, meine Modifikation zu testen. Am Zelt "Orion von EXPED" hatte ich einen zusätzlichen Reissverschluss einnähen lassen, sodass ich den Eingang wie ein Vordach als Wetterschutz hochspannen konnte. Der Komfort wird zwar gesteigert, doch optimal ist die Lösung nicht. Ich beschloss, im Herbst ein grösseres Modell näher anzuschauen. 
Vor der Abfahrt gönnte ich mir noch einen Kaffee am Kiosk und kam dabei mit einer Frau aus dem Ruhrgebiet ins Gespräch. Sie war mit drei Kolleginnen hier und musste heute abreisen, da die Ferien zu Ende gingen. Sie jammerte, dass die Kolleginnen einen völlig anderen Tagesablauf hätten als sie. Nachts wollten diese nie ins Bett und morgens nie aufstehen. Darum sei sie jetzt auch alleine hier, getreu dem Motto: Morgenstund hat Gold im Mund. Ich nahm es als selbstverständlich hin, mit jemandem unbeschwert zu plaudern. Doch ein paarmal in der Slowakei oder in Rumänien, als ich mich mit niemandem unterhalten konnte, spürte ich das Gegenteil. 
Von München bis Regensburg regnete es leicht, wie es sich dem Namen nach auch so gehört. Bei Asch (As) überquerte ich die Grenze nach Tschechien ohne Wartezeit und suchte in Franzensbad (Frantiskovy Lazne) nach dem Campingplatz "America". Ein älterer Herr erklärte mir den Weg dorthin in perfektem Deutsch, doch sei das Camp wahrscheinlich geschlossen. Wirklich, das Gelände glich einer Geisterstadt, also fuhr ich nach Eger (Cheb) weiter. Cheb ist seit 1279 freie Reichsstadt und eine der ältesten Städte Böhmens. Es beherbergt das Wallenstein-Museum, das an der Stätte des 1634 ermordeten Generals errichtet wurde. Nach 1950 wurde Eger berühmt durch die Egerländer-Musikanten als Hitparadenstürmer. In Cheb angekommen stellte ich fest, dass das Rotlicht-Milieu gut vertreten war. An jeder Ecke war "Love", "Strip" oder "Night-Club" zu lesen. Ich fuhr zum nahegelegenen Stausee weiter und fragte mich, ob in dieser Gegend mit verlassenen Industriegebäuden ausser mir noch jemand sei. Ich staunte nicht schlecht als ich den vollen Campingplatz sah. Auffallend getrennt waren links der Strasse Deutsche, rechts davon Holländer. In einem Wäldchen am See fand ich einen romantischen Platz und installierte mich. Plötzlich stand eine Aufsichtsperson neben mir und schnauzte mich an, hier sei keine Parzelle, ich dürfe hier nicht bleiben. Nachdem ich geschworen hatte, nur eine Nacht zu bleiben und ihm ein paar Kronen in die Hand drückte, zog er grinsend von dannen. In der Camp-Kneipe traf ich einen deutschen Radfahrer. Er war im Norden für eine Tagestour gestartet, aber weil er Zoff mit seiner Freundin hatte, sei er immer weitergefahren. Er wolle noch bis München weiter, um dann mit dem Zug wieder nach Hause zu reisen.

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27. Juli Cheb Plsen 100 km

Nachts um zwei Uhr kam Leben in die Häuschen weiter vorne am See. Mehrere Männer stapften an meinem Zelt vorbei, Hunde bellten und Automotoren wurden gestartet. Warum der Aufbruch um diese Zeit? Hatte es mit dem Rotlicht-Milieu zu tun? Ich wusste es nicht; jedenfalls war der ganze Zeltplatz wach geworden. 
Noch etwas müde nahm ich gegen Mittag den Weg nach Pilsen unter die Räder, denn ich hatte in München und Cheb schlecht geschlafen. Unterwegs besuchte ich kurz Marienbad (Marianske Lazne). Marienbad besitzt über 100 Mineralquellen und gilt heute noch als "Riviera ohne Strand". Der Höhepunkt war um 1900, als die Kurstadt im Waldtal Weltformat genoss. Ausser Goethe waren auch die mächtigsten Herrscher der Welt Stammgäste hier. Es herrschte die gleiche Ruhe und Gelassenheit wie in Franzensbad: Leute flanierten in den Parks und nostalgische Pferdekutschen fuhren Touristen herum. An den bröckelnden Fassaden und teilweise zerfallenen Villen sah man, dass die Blütezeit dieser Kurbäder vorbei ist. 
Der Campingplatz in Pilsen war gut ausgeschildert, mit allem ausgestattet und idyllisch an einem kleinen See gelegen. Die viertgrösste tschechische Stadt mit über 180 000 Einwohnern gilt zu Unrecht als ein hässlicher, grauer Industriestandort. Die Strassen sind schachbrettartig angelegt und ein schöner Park umringt die gesamte Altstadt. In Tschechien wie in den meisten osteuropäischen Ländern gilt die Promillegrenze Null, aber das feine Pilsner wollte ich mir nicht entgehen lassen. Der Weg in die City war zu weit zu Fuss, also nahm ich die öffentlichen Verkehrsmittel. Der Busfahrer nickte, auf englisch nach dem Zentrum gefragt. Doch plötzlich hiess es Endstation in einem abgelegenen Satelliten-Hochhausquartier. Ein Passagier, der Englisch sprach, erklärte mir, ich müsse zurück und dann das Tram nehmen. Endlich in der Altstadt angekommen gönnte ich mir ein gutes Stück Fleisch, mit Ingwer garniert. Eine solche Kombination hatte ich noch nie verspiesen, doch es schmeckte vorzüglich. Empfehlenswert ist eine Führung durch die mittelalterlichen Katakomben und Gewölbe unterhalb Pilsens Altstadt, doch dafür wars jetzt zu spät. Also gings weiter zum Brauhaus des Biers, das den gleichen Namen trägt wie die Stadt. Die Brauerei entstand 1842 als Genossenschaft, hatte mit dem "Pilsner Urquell" einen Riesenerfolg und ist inzwischen weltbekannt. Auf einer Bühne agierten Feuerschlucker und mittelalterliche Ritter lieferten sich Fechtduelle, dazu floss das Bier in Strömen. Bald fuhr das letzte Tram um 23 Uhr. Irgendwie erwischte ich beim Aussteigen die falsche Haltestelle und lief danach eine Stunde, bis der Camping endlich gefunden war. Todmüde kroch ich in die Schlaftüte und schlief wie ein Murmeltier.

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28. Juli Plsen Trutnov 250 km

Nach einer guten Kappe Schlaf streckte ich den Kopf aus dem Zelt. Der See dampfte in der Morgensonne und Angler warteten geduldig auf einen Fang. Man merkte an der beschaulichen Ruhe: Es war Sonntag. Auch auf der Autobahn Richtung Prag war nicht viel los. Doch plötzlich eine Schrecksekunde, als ein Reh die Strasse überqueren wollte. Zum Glücke überlegte es sich auf dem Pannenstreifen anders und sprang über die Leitplanke ins Feld zurück. Mit einem Schreck in den Knochen ging die Fahrt weiter, denn ich hätte bei Tempo 100 nie rechtzeitig anhalten können... 
Auf meiner Landkarte war eine Umfahrung von Prag eingezeichnet, doch unbeabsichtigt führte mein Weg ins Zentrum. Es war eine schweisstreibende Angelegenheit, bei fast 30 Grad "Stop and Go" durch Prag zu schleichen. Umso mehr genoss ich es, danach Richtung Königsgrätz (Hradec Kralove) den Hahnen aufzumachen und die kühlende Luft zu spüren. Hradec Kralove (auch "Burg der Königinnen" genannt) besitzt über 100 000 Einwohner und einen grossen Rathausplatz (Velke nam) auf einem Hügel, umgeben von der Altstadt. Auf dem 68m hohen Weissen Turm geniesst man eine wunderbare Aussicht. Ich bestaunte die mächtige Kathedrale, doch angesichts der Hitze gings bald weiter nach Trutnov. Trutnov (Trautenau) besitzt einen berühmten, 1892 errichteten Marktbrunnen zu Ehren des Berggeistes Rübezahl. In der Nähe liegen die Felsenstädte, ein Naturschutzgebiet mit ca. 270 skurrilen Felstürmen (siehe Route 2001). Der Campingplatz lag etwas ausserhalb angrenzend an einen schönen Waldsee. Mir fiel der fast volle Platz auf und dass die Mehrheit Holländer waren. Ein paar holländische Jugendliche kommentierten mich abfällig, als ich mein Zelt aufschlug. Wahrscheinlich waren sie auf meinen Roller neidisch. Schnell stürzte ich mich in die Badehose und durchschwamm den See, der zwar kalt, aber umso erfrischender war. Mit dem Ziel, ein Foto vom Campingplatz zu machen, marschierte ich auf die andere Seite des Sees. Dabei stolperte ich fast über zwei Frauen, die sich hier oben ohne sonnten. Jetzt wurde mir bewusst, dass ich in der Badeanstalt am See keine einzige Frau so gesehen hatte. Scheinbar ist das in Tschechien verpönt oder sogar verboten. Beim Einschlafen hörte ich, dass die holländischen Jugendlichen ihr Zelt verliessen und um meinen Burgman schlichen. Wollten sie etwas sabotieren, die Luft rauslassen oder sogar die Bremsleitungen anschneiden? Erstens war ich zu müde und zweitens waren mir die in Frage kommenden Täter bekannt, also schlief ich ein.

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29. Juli Trutnov Wroclaw 180 km

Nach dem Aufstehen inspizierte ich sofort den Burgman und konnte zu meiner Erleichterung feststellen, dass einzig die Handbremse angezogen worden war. Ich war froh, den Platz zu verlassen, denn Nachtruhe schien hier ein Fremdwort zu sein. Viele Westler haben entdeckt, dass Tschechien schön und günstig ist, also lassen sie hier die Sau raus: Man ist ja weit weg von zu Hause und so herrlich anonym. 
Die Strecke zum Zoll in Kralovec war mir noch aus dem Jahre 2000 vertraut. Zum Glück war der Grenzposten diesmal geöffnet und die Abfertigung speditiv. Unterwegs bemerkte ich den Aussichtspunkt Sleza und beschloss, hinaufzufahren. Aber trotz Umrundung des Hügels fand sich keine Strasse, die hinaufführte. Etwas enttäuscht rollte ich in Richtung Breslau, wo ich das Olympiastadion mit dem angrenzenden Campingplatz auf Anhieb wiederfand. 
In Breslau wohnen über 600 000 Polen und es besitzt mit dem Rathaus einen der bedeutendsten gotischen Profanbauten Mitteleuropas. Bei drückender Hitze bestieg ich das Tram Richtung Zentrum, um die Kathedrale "Maria auf dem Sande" auf der Oderinsel zu besichtigen. Nach einer langen Erkundungstour landete ich dann schliesslich auf dem Rathausplatz und schaute mich nach einem guten Restaurant um. Leider versagte mein Riecher diesmal, denn das Steak unter der Sauce entpuppte sich als ein Stück fetter Schinken. Aber dafür war das Bier bei den herrschenen Temperaturen umso besser. Nach einem Besuch des wunderbar kühlen Rathauskellers brachte mich das Tram wieder direkt vor den Zeltplatz. Mit etwas Wehmut dachte ich an den unterhaltsamen Abend, den ich hier mit den zwei deutschen Monteuren vor 2 Jahren verbracht hatte (siehe Route 2000).

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30. Juli Wroclaw Poznan 180 km

Bei der Vorbereitung auf die Reise hatte ich im Internet entdeckt, dass Posen einen Campingplatz an einem See mit dem Namen "Lake Malta" besitzt. Als ich den See nach der Durchquerung von Posen erblickte, machte ich eine Verschnaufpause. Sofort kam ein Mann auf mich zu, schüttelte mir wie einem alten Bekannten die Hand und erklärte, dass der Campingplatz zugunsten einer Hotelanlage aufgehoben worden sei. Etwas verunsichert fuhr ich trotzdem weiter, bis ich vor einem Hotel durch einen Schlagbaum gestoppt wurde. Der Sicherheitsmann winkte mich durch, nach der Frage, wo hier ein Campingplatz sei. Ich staunte nicht schlecht über die riesige Freizeitanlage am Lake Malta: Rudersee, Anzeigetafel, Tribünen, Fahrradwege, Minigolf, Rodelbahn und Sommer-Skilift. Doch weit und breit war kein Zelt zu sehen, als ich bei einer Appartmentanlage mit Bungalows nach dem Campingplatz fragte. Zur freudigen Ueberraschung meinte die hübsche Frau an der Reception, dass ich mein Zelt auf der kleinen Wiese hinter den Bungalows aufstellen könne. 
Posen war im Mittelalter Handelsmetropole an der Bernsteinstrasse, welche vom Mittelmeer an die Ostseeküste führte. Die fast 600 000 Posener gelten wie alle ehemaligen Preussen als tüchtig und zuverlässig, aber auch als wenig gastfreundlich. Doch konnte ich mich persönlich vom Gegenteil überzeugen. Da das Zentrum über 5 Kilometer vom Lake Malta entfernt lag, nahm ich die Strassenbahn. Ich fragte zwei junge Frauen, welche Linie ich nehmen müsse und wieviele Haltestellen es seien. Eine von ihnen sprach fliessend Englisch und versprach mir, dass mich die beiden mitten auf den Hauptplatz führen werden. Im Tram unterhielt ich mich mit den beiden Frauen Eva und Renata. Eva hatte schon öfters ihren Freund in England besucht, darum sprach sie so gut Englisch. Mit Renata konnte ich mich dafür gut auf Deutsch verständigen. Dann zählten sie mir alle Lokale auf, die es zu besuchen lohne. Ich musste abwinken und erklären, dass ich nicht eine Woche sondern nur diesen Abend hier sei. Wie versprochen führten sie mich auf den Rathausplatz, wünschten mir einen schönen Abend und verschwanden in der Menschenmenge. 
Rund um den Platz luden Garten-Restaurants zum einkehren ein. Ich musste dreimal um das Rathaus laufen, bis ich mich für eine Gaststätte entscheiden konnte. Beim Einstieg zur Heimfahrt mit dem Tram staunte ich nicht schlecht, Eva und Renata sassen schon drin. Ich berichtete über meine Erlebnisse und Eindrücke und musste ehrlich zugeben, dass Posen einen der schönsten Rathausplätze hat. Beim Aussteigen zuckten Blitze am Himmel und Böen fegten durch die Strassen. Wir verabschiedeten uns schnell, um noch vor dem Gewitter nach Hause bzw. zum Zelt zu kommen. Doch es nützte nichts, denn bereits nach hundert Metern goss es wie aus Eimern und ich erreichte das Zelt völlig durchnässt.

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 31. Juli Poznan Torun 160 km

Beim Frühstück bemerkte ich, dass neue Nachbarn dazugekommen waren. Ein Wohnmobil mit schwedischem Kennzeichen stand neben meinem Zelt. Es entwickelte sich ein Gespräch, in dem sich das schwedische Ehepaar als die Eriksons aus Leksand vorstellten. Bei meiner Reise 2000 zum Nordkapp via Falun war ich fast durch Leksand gefahren. Die Eriksons luden mich zu einer Tasse Kaffee ein und schlugen vor, ich solle mich bei ihnen melden, wenn ich wieder mal in Schweden sei. Als Gegenleistung erklärte ich ihnen den Weg zum Olympia-Campingplatz, denn sie wollten die nächste Nacht in Breslau verbringen. 
Torun (Thorn) ist mit 200 000 Einwohnern fast klein gegen Wroclav und Poznan, dafür dank Nikolaus Kopernikus umso berühmter. Die Strecke von Posen nach Torun war schnell bewältigt und so kam ich schon vor Mittag an der Brücke über die Oder an. Direkt vor der Brücke erblickte ich rechts den Campingplatz, der mit dem grossen Pappelnbestand einladend aussah. Die Dame am Empfang riet mir, das Zelt in der Mitte des Platzes aufzustellen. Ich wusste von Danzig her, dass Zelte am Rande eher von Dieben heimgesucht werden. Beim Errichten des Zeltes nahm ich mir vor, zwei Nächte hier zu bleiben, denn der Zeltplatz lag direkt an der Oder und man musste nur über die Brücke marschieren und war im Zentrum. Zudem war ich bis jetzt jeden Tag gefahren und hatte einen Ruhetag nötig. Drei Dinge hatte ich aber noch nicht gewusst, erstens grenzte der Zeltplatz an eine Transitstrasse, zweitens an einen Industriebahnhof und drittens an eine Fabrik. Doch davon später. Neben mir lagerte noch ein deutsches Paar, deren Gaskocher streikte. Flugs lieh ich ihnen meinen aus, wofür sie sich mit einem Beutel Suppe bedankten. Nachdem ich aufs Verfalldatum geguckt hatte, warf ich die Suppe enttäuscht in den nächsten Abfalleimer: Es war schon längst abgelaufen... 
Da die Brücke über einen Kilometer lang war, brauchte ich fast eine halbe Stunde zum Zentrum. Es war brütend heiss, so suchte ich ein wenig Abkühlung bei einem Springbrunnen. Torun ist nicht so touristisch wie Posen und wirkt überschaubar und fast familiär. Beim Schlendern durch die Strassen erblickte ich ein Coiffeurgeschäft und mir kamen sofort meine langen Haare in den Sinn, die jetzt schweissgebadet am Kopf klebten. Sofort steuerte ich hinein und fragte nach einem Haarschnitt. Die junge Frau konnte nur polnisch, so musste ich meinen Wunsch in einem Haarschnitt-Katalog zeigen. Nach fast einer Stunde und mit einem perfekten Schnitt versehen, fragte ich nach dem Preis. Sie kritzelte 14 Zloty (ungefähr 4 Euro) auf einen Zettel, was ich zu ihrer hellen Freude auf 20 aufrundete. So günstig war ich noch nie davongekommen. 
Nach dem Abendessen in einem angenehm klimatisierten Restaurant zog es mich zur Oder. Hier waren einige Schiffe vertaut, welche als Bars umgebaut waren. Wenn man ins Wasser blickte, hatte man das Gefühl man fuhr und bald merkte man nicht mehr, ob das Schaukeln vom Schiff oder vom Bier herrührte. Spät abends gings dann zurück zum Campingplatz, wo mich ein Wächter mit Hund empfing. Der Hund war ein belgischer Schäferhund (Malinois) und sah genau aus wie meiner. Ich schlug mit den Händen auf die Knie und sofort kam er schwanzwedelnd zu mir und knabberte freundschaftlich an meinem Unterarm. Ich erklärte dem erstaunten Bewachungsmann, dass ich zu Hause denselben Hund habe. Auf dem Weg zum Zelt bemerkte ich dichten Rauch, sodass man kaum ans Ende des Platzes sah. Es stank und die Augen begannen zu brennen, denn der Wind kam direkt von der rauchenden Fabrik her. In der Nacht rollten Lastwagen um Lastwagen über die Brücke und Züge donnerten vorbei bis der Boden bebte: Dies war die erste und letzte Nacht in Torun!

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1. August Torun Czestochowa 300 km

An diesem Tag stand wieder einmal eine grössere Strecke an, die aber dank guten Strassen gut zu absolvieren war. Von Lodz an gabs sogar eine Autobahn, was in Polen eine Rarität ist. Direkt vor Czestochowa (Tschenstochau) sah ich eine Gruppe Taxifahrer stehen und hielt an, um mich nach dem Weg zum Campingplatz zu erkundigen. Interessiert wurde mein Burgman begutachtet und einer von ihnen begann den Weg auf einen Zettel zu malen. Nach "Mamma mia" müsse ich dann rechts abbiegen. Ich erinnerte mich an ein Restaurant in der Nähe meines Wohnorts mit dem gleichen Namen und sagte, aha, eine Pizzeria. Sie schüttelten nur lachend den Kopf, mit Mamma mia meinten sie die Kathedrale auf dem Hügel. 
Der Zeltplatz war ideal gleich hinter der Wallfahrtskirche gelegen, nur ein grosser Parkplatz lag dazwischen. Ich war erstaunt, fast keine Camper anzutreffen. Man belehrte mich, dass sich das am Wochenende jeweils radikal ändere. Am Abend gabs ein heftiges Gewitter und es kühlte ab.
Nach einer erfrischenden Nachtruhe blinzelte ich durch den Zeltausgang und erblickte den riesigen Kirchturm durch den Morgennebel, der durch einen Sonnenstrahl noch mystischer wirkte. Dann besuchte ich den Wallfahrtsort Czestochowa, der 250 000 Einwohnern besitzt und einer der meistbesuchten der Welt ist. Millionen Katholiken begeben sich auf den steilen Pilgerweg hinauf auf den Kirchenhügel, um die Ikone der "schwarzen Madonna" zu sehen. Die Geschichte erzählt, dass dank ihr im 17. Jahrhundert die Schweden aus ganz Polen vertrieben werden konnten. 
Am Nachmittag war es wieder schwül und heiss geworden, also fuhr ich nur mit Badehose, Shirt und Helm bekleidet zum nächsten Supermarkt einkaufen. Nach dem selber zubereiteten Essen vermisste ich die Geldbörse, in der alle meine Zlotys und die Kreditkarte steckten. Zu Fuss untersuchte ich den Weg zum Supermarkt und fragte an der Kasse, doch nirgends ein Portemonnaie. Auf die Frage nach dem Fundbüro lachten die Leute, denn sowas ist hier unbekannt. Zum Glück fand ich später die Geldbörse unter der Luftmatratze wieder, sie war mir beim Umziehen aus der Badehose gerutscht. Ich war froh, dass mir auf allen bisherigen Rollertouren nie etwas abhanden gekommen war. 
Am Nachmittag erreichte ein BMW-Motorrad mit deutschen Kennzeichen den Zeltplatz. Der Typ stellte sich als Sepp aus Erding vor und errichtete sein Zelt neben meinem. Er war ein urchiger Bayer, wie man ihn sich klischeenhaft vorstellt. Das Campieren auf einem Zeltplatz kam für ihn nur dann in Frage, wenn wieder mal eine Dusche fällig war. Ich hätte Angst, irgendwo wild und alleine zu nächtigen. Dann breitete er Schlafsack und Kleider zum trocknen aus und ging die Kathedrale besichtigen. Plötzlich zog ein Gewitter auf und es begann zu regnen. Schnell verstaute ich ihm alles im Zelt. Beim Nachtessen in der Campingkneipe trafen wir uns wieder und Sepp bedankte sich mit einem Bier für die trockenen Sachen. Er wollte am nächsten Tag nach Kattowize fahren, um dort die Umweltsünden der Industrie anzuschauen. Wir sprachen über die Welt im allgemeinen und Motorradreisen im speziellen, solange, bis uns die Wirtin vor die Türe setzte: Sperrstunde. Also tranken wir halt unser Bier auf der gedeckten Terrasse aus, während der Regen auf das Dach prasselte.

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3. August Czestochowa Zakopane 240 km

Auf gut ausgebauten, doppelspurigen Strassen gings Richtung Krakow (Krakau, siehe Route 1999). Auf der Umfahrung herrschte reger Ausflugsverkehr, denn es war Samstag und viele Polen schienen ihr Wochenende im Süden in der hohen Tatra verbringen zu wollen. Nach Myslenice gab es Stau, denn die Strasse war ab hier nur noch einspurig. Zügig fuhr ich links vorbei, erst als ich die Polizei am Strassenrand erblickte zwängte ich mich in die Kolonne. Der Versuchung eines rauchenden Grills konnte ich ein paar Kilometer weiter nicht wiederstehen und verleibte mir einen Schaschlik ein. Endlich war die langweilige polnische Ebene durchquert und die Strasse begann mit vielen Hügeln und Kurven interessant zu werden. 
Die Wintersportmetropole Zakopane mit über 30 000 Einwohnern verfügt über viele Sprungschanzen und Skipisten. Aber auch im Sommer kommen viele Touristen hierher, um in der Umgebung zu flanieren oder auf der hohen Tatra zu wandern. Dementsprechend voll war der Campingplatz, sodass ich nur noch in einem Wäldchen einen Platz für mein Zelt fand. Zum Abendessen gönnte ich mir ein "Chop Suey" in einem chinesischen Restaurant, das stilvoll mit einem Bächlein, über das eine Brücke führte, dekoriert war. Chinesische Klänge ertönten und die Laternen verbreiteten schummriges, rotes Licht. Danach flanierte ich mit Tausenden anderen der Füssgängerzone entlang. Biergärten, Restaurants und Jahrmarktstände reihten sich aneinder auf einer Länge von über einem Kilometer. Hier auf über 900 Höhenmetern war es inzwischen empfindlich kühl geworden, so setzte ich mich in einem Tanzlokal zum Aufwärmen an die Bar. Durch die Scheibe bemerkte ich, dass ein Handgemenge auf der Kreuzung entstand. Jugendliche schlugen jeden nieder, der sich mit ihnen anlegte. Manch Betrunkener machte sich mit blutender Nase aus dem Staub. Die Strasse hatte sich blitzschnell geleert, jetzt machten sie aus Mangel an Raufgegnern Jagd auf Passanten. Ein Jugendlicher wurde zu dritt verfolgt, mit Fäusten ins Gesicht geschlagen und am Boden mit den Schuhen getreten. Ein beherzter Taxifahrer preschte auf die Gruppe los, bremste kurz vor dem am Boden liegenden und die drei Schläger stoben davon. Er richtete den benommenen Jugendlichen mit blutverschmiertem Gesicht auf. Dieser bedankte sich und schwankte dann eiligst davon. Neben mir hatten auch zwei Barmaids die grausame Szene verfolgt, doch sie grinsten nur spöttisch. Scheinbar haben diese Schlägereien am Samstagabend Tradition, doch ich werde mich nie an so brutale Gewalt gewöhnen können. Für mich war der Abend gelaufen, so ging ich schleunigst zum Campingplatz zurück. Noch ein paarmal hörte ich Polizei-Sirenen, als ich ein Bier zum Abregen auf dem sicheren Zeltplatz trank.

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4. August Zakopane  Kosice  200 km

 Nichts erinnerte mehr an die nächtlichen Schlägereien: Wieder schlenderten Tausende durch die Innenstadt von Zakopane. Doch mich zog es weiter Richtung Slowakei. Vor der Grenze hatte sich eine lange Autoschlange gebildet, aber beherzt fuhr ich daran vorbei, parkierte auf einem Parkplatz neben dem Zollhaus und zeigte zu Fuss meinen Pass, was die Prozedur enorm beschleunigte. Ich wollte noch meine Zlotys in slowakische Kronen umwandeln, doch nirgends war ein "Change" oder "Kantor" zu erblicken. Von nun an folgten Staaten, in denen ich noch nie gewesen war: Slowakei, Ungarn, Rumänien und Slowenien. Sofort fielen mir die besseren Strassen und mehr Motorräder als in Polen auf. 
Der Blick auf die hohe Tatra mit der 2655m hohen Gerlachovsky-Spitze und die schöne, kurvenreiche Strecke verleiteten mich dazu, einen Umweg via Strba nach Poprad zu machen. Kurz nach Levoca bog ich rechts ab, damit ich nicht über Presov nach Kosnice fahren musste und so die kaum befahrenen Nebenstrassen geniessen konnte. In einem Tal erblickte ich überall Baracken und Wellblechhütten. Die Strasse säumten viele extrem dunkle, zerlumpte Typen, welche mich düster anschauten. Das mussten Sintis oder Romas sein: Jetzt nur keine Panne! Glücklich erreichte ich Kosnice und fragte in der Innenstadt ein Paar nach dem Campingplatz. Das sei zu kompliziert zum erklären, aber ich solle ihrem Auto folgen, denn sie würden sowieso daran vorbeifahren. Dann gings in horrendem Tempo über neue, doppelspurige Umfahrungsstrassen in eine Vorstadt. Von einer Brücke aus zeigten sie auf das Gelände, doch wie dorthin gelangen? In einem Quartier neben dem Zeltplatz erklärte mir ein freundlicher Herr, dass man nur von einer Umfahrungsstrasse aus einer bestimmten Richtung zum Camping komme, aber ich solle nur seinem Wagen folgen. Dank den hilfsbereiten Menschen konnte ich im Nu mein Zelt errichten. An der Reception konnte man meine Zlotys nicht wechseln, doch die hübsche Dame gab mir zwei Tickets für die Strassenbahn ins Zentrum. Zahlen könne ich dann am nächsten Tag. Beim Warten machte mich stutzig, dass ich der einzige an der Haltestelle war und dass Gras in den Schienen wuchs. Also nahm ich wie die anderen herumstehenden Leute den Bus. 
Es war Sonntag und wie so üblich keine Bank geöffnet. Im ersten Hotel verwies man mich ans zweite und in diesem erklärte man mir, dass nur Gäste Geld wechseln dürfen. Man verwies mich zum Bahnhof, wo eine Wechselstelle sei, doch nach langem Hinmarsch war diese schon geschlossen: Sch.....! Langsam hatte ich Hunger und fragte in drei Restaurants, ob ich mit Zlotys bezahlen könne, doch überall Kopfschütteln. Sogar die Toilettenfrau bedankte sich mit lautem Fluchen, als ich ihr grosszügig 2 Zlotys gab. Dabei ist doch Polen ein Nachbarland und seine Währung sollte hier in der Slowakei nicht völlig unbekannt sein. So nahm ich hungrig und durstig den Rückweg unter die Beine. Selbst das zum Campinggelände gehörende Restaurant gewährte mir keinen Kredit bis am Montag, nur der Nachtwächter am Eingang liess sich auf drei Büchsen Bier anpumpen. Es gibt doch nichts schlimmeres, als im Ausland ohne (anerkanntes) Geld unterwegs zu sein. Zum Glück hatte ich noch Käse und Brot dabei, auf das ich mich jetzt mit Heisshunger stürzte. Plötzlich pflanzte sich der baumlange Nachtwächter in schwarzer Uniform vor mir auf und verlangte Geld für das Bier. Er hatte Angst, dass sie ihm das Bier vom Lohn abziehen würden, wenn ich nicht bezahlte. Erst als ich mit einem 100 Euroschein vor seiner Nase herumfuchtelte, zog er von dannen.

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5. August Kosice  Eger  200 km

Zuerst musste ich meine Zlotys loswerden, doch es machte mich nicht an, dafür extra in die Stadt zu fahren. Zum Glück hörte ich in der Nähe polnisch sprechen: Eine Gruppe polnischer Jugendlicher mit 3 Zelten campierte auch hier. Ich fragte eine junge Frau, ob sie mir vielleicht 50 Zlotys wechseln könne. Sie zerrte sofort ihren noch schlafenden Freund aus dem Zelt und dieser wechselte bereitwillig den Geldschein in slowakische Währung um. Wenn mich ein Fremder wecken würde, nur um Geld zu wechseln, ich weiss nicht ob ich auch so freundlich gewesen wäre. Nun konnte ich meine Schulden begleichen und gleich losfahren. Ich war so froh darüber, dass ich der polnischen Frau ein mitgebrachtes Schweizer Sackmesser schenkte, was diese riesig freute. 
Bei Turna Bodvou bog ich links ab, denn ich hatte ein Zollzeichen entdeckt. Die Strasse wurde immer enger und schmaler, bis ich auf einem Feldweg unterwegs war. Endlich erblickte ich ein Zollhäuschen mit drei Beamten, doch weit und breit kein Auto. Ein Grenzbeamter erklärte mir, dass dieser Grenzübergang nur für Slowaken und Ungaren sei ich deshalb nicht passieren dürfe. Grinsend erwiderte ich, dass das ein guter Scherz sei, aber er solle doch jetzt den Schlagbaum öffnen. Doch seiner Miene konnte ich entnehmen, dass es ihm ernst war und machte den Umweg über Roznava, um nach Aggtelek zu gelangen. 
Der Aggtelek-Nationalpark ist ein abgelegenes Karstgebiet an der ungarisch-slowakischen Grenze. Die Baradla-Höhlen sind eines der grössten und schönsten Tropfsteinhöhlensysteme Europas mit riesigen Sälen und Seen. Die Haupthöhle ist über 22 km lang und führt von Ungarn in die Slowakei, ist jedoch nicht durchgängig begehbar, weil in der Mitte ein Gitter den Weg versperrt. Eine einstündige Führung durch die Höhle wollte ich mir nicht entgehen lassen, doch mir schoss durch den Kopf, dass ich keine ungarische Forints hatte. Zum Glück kann man in Ungarn im Gegensatz zu Rumänien problemlos mit der Kreditkarte zahlen. In der Höhle erntete meine Motorradjacke neidische Blicke, denn viele Touristen standen schlotternd in Shirts und kurzen Hosen in den 10-grädigen Katakomben. Leider sprach der Höhlenführer nur ungarisch, doch das Licht- und Orgel-Konzert in einem riesigen Saal war sensationell. Das Aggtelekgebiet verlassend erreichte ich Miskolc. Die Stadt mit über 200 000 Einwohnern ist entgegen seinem Ruf keine graue und triste Industriestadt, sondern hat einen hübschen barocken Kern mit grosser Fussgängerzone. Doch dafür hatte ich bei 30 Grad schwitzend kein Auge, denn ich suchte eine Bank. Nach der zweiten Bank, die meine Zlotys nicht wechseln wollte, drohte mein Geduldskragen zu platzen. Auf dem Weg zurück zum Roller erblickte ich eine Wechselstube, in der ich zu einem haarsträubenden Kurs zu Forints kam. 
Mit dem erhabenen Gefühl, wieder akzeptiertes Geld zu besitzen, gings weiter über das Bükk-Gebirge. Es ist die nordöstliche Fortsetzung des Matra-Gebirges, dessen höchster Gipfel der Peskö mit 960m ist. Das 20 km lange Plateau ist inzwischen ein Nationalpark, verhalf aber im 19. Jahrhundert Miskolc dank seines Eisenerzvorkommens zu Reichtum. Die Fahrt hinauf war ein Traum: Kurve an Kurve inmitten von endlosem Wald. Die Talfahrt dann ein Alptraum, denn die Schlaglöcher wurden immer zahlreicher und in jeder engen Kurve lag Kies auf der Strasse. Gegen Abend erreichte ich Eger, das mit 60 000 Einwohnern ein idyllischer, aber auch sehr touristischer Ort am südwestlichen Ausläufer des Bükk-Gebirges auf nur 180m Höhe über Meer ist. Die Altstadt ist perfekt restauriert und die Stadt ist umgeben von Weinhängen, in denen der berühmte "Egri Bikaver" (Erlauer Stierblut) heranreift. Kenner meinen über den ungarischen Wein: Vinum regum, rex vinorum (Wein der Könige, König der Weine), doch davon wollte ich mich erst später am Plattensee überzeugen. 
Am nächsten Tag stand eine Besichtigung der schönen Burg und der Altstadt von Eger auf dem Programm. Am Abend spazierte ich zusammen mit Michael nochmals ins Zentrum, um gut zu essen. Ich hatte Michael am Abend zuvor in der Campingkneipe kennengelernt. Er war Pfleger in Eisenach und hatte es vor allem mit psychisch Kranken und schwer erziehbaren Jugendlichen zu tun. Seit 18 Jahren fahre er schon zur Erholung nach Eger und diese brauche er je länger je mehr, denn er litt unter Schlafstörungen. In der Fussgängerzone zeigte er mir ein vorzügliches Strassenrestaurant. Musikanten spielten herzzerreissende ungarische Lieder, während Michael von seinen Erlebnissen in Ungarn erhählte. Er kannte sich in der Gegend sehr gut aus und sprach sogar ein wenig ungarisch. Als die Egerjugend mit den Autos durch die Strassen quietschten oder mit ihren Motorrädern auf dem Hinterrad fuhren, meinte er nur lakonisch: Zuviel Paprika! Zu später Stunde fragte er mich, ob ich auch noch ins "Tal der schönen Frauen" mitkomme, doch ich lehnte ab: Ich ging ins "Tal der schönen Träume" zurück zum Zelt...

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7. August Eger   Debrecen  160 km

In der Nacht zog ein Gewitter auf und Blitze zuckten unablässig. Auch am Morgen regnete es noch, als ich und meine Campingnachbarn zusammenpackten. Das Paar fuhr einen Escort Kombi mit Klebern von Neuseeland und England dran. Der rechtsgelenkte Wagen war mir aufgefallen, weil der Motor ein rasselndes Geräusch von sich gab, wie wenn er gleich auseinanderfallen würde. In Rumänien sah ich sie wieder, doch davon später. Unterwegs bemerkte ich ein Schild, das auf Vignettenpflicht hinwies. Ich fragte einen Tankstellenwart und der verkaufte mir einen 10-Tageskleber. Bei einer Suzuki-Autogarage liess ich das Motorenöl kontrollieren und staunte, dass ein halber Liter nachgefüllt werden musste. Dann gings in halsbrecherischer Fahrt durch Regen und Wasserlachen nach Debrecen. Plötzlich flog ein Vogel auf mich zu und ich hoffte, dass er es noch am Burgman vorbei geschafft hatte. Doch mit Grauen musste ich feststellen, dass er am Sturzbügel hing. Sofort streifte ich den armen Kadaver mit dem Fuss ab. Beim nächsten Halt stürzten sich Wespen und Hornissen auf das klebende Blut. Ich konnte nur noch die Handschuhe anziehen und mich durch Flucht entziehen. Danach reinigte ich die Stelle gründlich. 
Der Campingplatz in Debrezin befindet sich nördlich im Nagerdö (grosser Wald), welches ein 2300 ha grosser Park ist mit Thermalbad, Zoo und Vergnügungsparks. Debrecen ist mit über 220 000 Einwohnern die zweitgrösste Stadt Ungarns, wirkt aber überhaupt nicht grossstädtisch wie Budapest. Im Mittelpunkt der Stadt, am Kalvin Ter, steht der grösste kalvinistische Sakralbau Ungarns: Die Reformierte Grosse Kirche von 1810. Auf dem Weg vom Zeltplatz zur Tramhaltestelle durch den Wald stand plötzlich eine junge Frau vor mir und sprach mich lächelnd auf ungarisch an. Ich verstand sie zwar nicht, konnte mir aber vorstellen was sie wollte und ging kopfschüttelnd weiter. Als ich mich nach ein paar Metern umdrehte, war sie wieder vom Erdboden verschwunden: Etwas beunruhigend! Nach der Besichtigung von Debrecens City gönnte ich mir ein zartes Stück Fleisch in einem belgischen Steakhouse. Doch mein Magen wollte nicht so recht, denn seit ich in Kosice aus Geldmangel Leitungswasser getrunken hatte, war meine Verdauung gestört. Beim nächtlichen Weg vom Tram zum Campingplatz hörte ich Stimmen aus dem Wald und sah darin parkierte Autos, wahrscheinlich Liebespaare. Zum Glück waren noch andere Camper auf dem Heimweg, sodass der Schlafsack heil erreicht wurde.

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8. August Debrecen  Hodmezovasarhely  160 km

Eigentlich wollte ich von Debrecen via Oradea nach Rumänien übersetzen, doch mein Magen riet mir davon ab, denn ich fühlte mich besser versorgt in Ungarn. Also gings weiter Richtung Szeged durch die ungarische Tiefebene und meine Stimmung war auf dem selben Niveau. 27 km vor Szeged erreichte ich die 55 000 Einwohner zählende Stadt mit dem unaussprechlichen Namen Hodmezovasarhely. Hier wurde 1955 der berühmte Film "Ich denke oft an Piroschka" mit Liselotte Pulver gedreht. Doch mir stand momentan der Sinn nicht nach Piroschka, sondern nach einer Toilette. Einladend leuchtete mir ein Schild entgegen: Camping Thermal. Also wurde beschlossen, hier zu rasten und nicht mehr nach Szeged zu fahren. Die überaus freundliche Platzwartin, welche fliessend Deutsch sprach, empfand ich mit all ihren neugierigen Fragen und wohlwollenden Tips langsam als aufdringlich. Also ging ich ins Zentrum der Stadt (Kossuth Ter), wo das eklektizistische Rathaus mit dem 57 Meter hohen Glockenturm steht, von dem man eine herrliche Aussicht über die Tiefebene der Puszta hat. In einer Apotheke liess ich mir eine chemische Keule aushändigen, welche hierzulande sicher nicht ohne Rezept erhältlich wäre. Bereits zwei Stunden nach Einnahme der Pillen fühlte ich mich wieder fit. Da das Thermalbad für Campinggäste kostenlos war, stürzte ich mich am Abend ins 36 Grad warme Wasser und liess meine Seele baumeln...

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9. August Hodmezovasarhely   Hunedoara  300 km

Einer der zahlreichen Ratschläge der Campchefin war, nicht den Grenzübergang bei Nadlac, sondern jenen bei Turnu auf dem Weg nach Arad anzusteuern. Dieser Tip erwies sich als nützlich, warteten doch nur einige Autos auf die Abfertigung. Dann gings durch ein kleines Dorf, dessen Strasse wie nach einem Bombenangriff aussah: Schlaglöcher so gross wie Krater. Dazu liefen scharenweise Gänse über den Weg und Kühe und Pferde standen am Strassenrand. Ich hatte geglaubt, das seien nur Geschichten und Märchen, doch jetzt sah ich das gemächliche rumänische Landleben mit eigenen Augen. 
Zwischen Arad und Deva war die Strasse kurvig, aber bestens ausgebaut und kein Schlagloch weit und breit. Vor mir fuhr ein holländischer Sattelschlepper in einem Tempo, mit dem es sogar Schumacher schwindlig geworden wäre. Zudem begann es zu regnen, sodass ich endgültig davon absah, den Lastwagen zu überholen. Ein Audi mit deutschen Kennzeichnen überholte mich und versuchte ebenfalls erfolglos, den Brummer zu schnappen. Wegen einem liegengebliebenen Fahrzeug musste der Sattelschlepper anhalten. Die Räder des Audi blockierten und er rutschte mit den Kühlerhaube unter den Lastwagen. Als er stoppte, war seine Scheibe noch 20 cm vom Lastwagenende entfernt. Nochmals Glück gehabt dachte ich, und überholte beide. 
Von Deva gehts auf holpriger Strasse 13km gegen Süden nach Hunedoara ( Eisenmarkt). Seit dem 17 Jh. war Hunedoara Eisenhüttenzentrum, doch heute am Samstag qualmten die Schlote der Hochöfen am Fusse des Poiana-Ruscai-Massivs nur auf Sparflamme. Die 90 000 Einwohner zählende Stadt besitzt ausser den teilweise zerfallenen Chemiekokereien ein düster wirkendes Schloss inmitten der Industrieanlagen. Die mächtige Familie Hunedoara aus der Walachei baute sich hier im 15 Jh. eine Residenz, deren Baustil von Gotik und Renaissance beeinflusst war. Auf dem Parkplatz vor dem Schloss kamen sofort Kinder angerannt und wollten meinen Roller gegen Geld bewachen. Da ich noch keine Lei gewechselt hatte, fuhr ich zum Campingplatz weiter. Entlang von zerfallenen Industrieanlagen, rostigen Fernheizungsrohren und einem trostlosen Dorf gings ständig bergauf bis zum schönen Cincis-Stausee. Beim Motel-Camping hiess es, man sei ausgebucht, obwohl es meiner Meinung nach noch Plätze hatte. Also fuhr ich auf der holprigen Strasse um den See weiter. Beim nächsten Hotel wollten sich scharfe Hunde auf mich stürzen, doch der Portier machte keine Anstalten, die Hunde zurückzurufen oder mich zu begrüssen. Am Ende des Sees erblickte ich einige Zelte und fragte einen Rumänen, der gut französisch sprach, nach einem Platz. Ich könne hier übernachten, es sei völlig sicher. Da weder Touristen, noch ein Empfang, noch ein Sanitärgebäude, noch ein Zaun ringsherum sichtbar war, kehrte ich nach Hunedoara zurück. Ich hatte vergeblich 40 km auf holprigster Strasse zurückgelegt, mein Hinterteil schmerzte, es wurde langsam dunkel, mein Tank leerte sich und ich hatte Hunger. Nach einigem Suchen fand ich das Hotel "Rusca" und mir fiel ein Stein polternd vom Herzen als die Dame am Empfang zustimmend nickte. Ich fragte nicht mal nach dem Preis, denn in der momentanen Situation hätte ich jede Summe bezahlt. Eine Tiefgarage für den Burgman gabs nicht, doch ich könne den Roller ruhig stehenlassen, es bestehe keine Diebstahlgefahr. Im Hotel konnten sie kein Geld wechseln, doch ich könne alle Konsumationen auf meine Zimmernummer notieren lassen und dann am nächsten Tag bezahlen. Als Nachtessen gabs ein Kotlett mit Pommes-Frites und Salat, dazu frisches Bier vom Fass. Ich liess es mir auf der Hotelterrasse schmecken, als sich ein kleiner Hund zu mir gesellte. Zuerst war er scheu, doch nach Kotlettknochen und einigen Kartoffelstäbchen wurde er zutraulich. Als ein Zigeunermädchen betteln kam, bellte er es lautstark in die Flucht. Die anderen Gäste mussten lachen, wie vehement der Kleine mich verteidigte. 
Im Innern sah das Hotel nicht mehr vornehm aus: Ueberall Risse in den Wänden, das Waschbecken hing nur noch an einer Schraube, die Klobrille war gesprungen, der Duschschlauch durchlöchert, an den Wänden klebten unzählige zerschlagene Mücken und unter dem Bett lag eine zentimeterdicke Staubschicht. Kaum hatte ich das Licht gelöscht, begann der Kampf gegen die Mücken. Im Zelt kann man alle vorhandenen Mücken erlegen und dann in Ruhe schlafen, doch hier im Hotelzimmer war nur dank dem Mückenspray an Schlaf zu denken.

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10. August Hunedoara   Rusnov  260 km

Gleich nach dem Aufwachen hechtete ich ans Fenster und sah den Burgman genau gleich dastehen wie am Abend. Davor lag der kleine Hund, wie wenn er die ganze Nacht gewacht hätte. Ich hätte ihn am liebsten mitgenommen, doch das ging leider nicht. In einer Wechselstube wurde ich für 200 Franken zum vierfachen Lei-Millionär, damit wusste ich, dass 20 000 Lei einem Schweizer Franken entsprechen. Das Geldbündel gut verstaut ging ich zum Hotelempfang, um die Rechnung zu bezahlen und meinen Pass zurückzubekommen. Ueber die Rechnung war ich angenehm erstaunt: Nachtessen, Uebernachtung und Morgenessen kosteten zusammen umgerechnet 18 Euro. Bei zwei Tankstellen fragte ich, ob Zahlen per Kreditkarte möglich sei. In der ersten nur Kopfschütteln, in der zweiten erklärte man mir, dass man vielleicht in Bukarest etwas mit dem Plastikding anfangen könne, in der Gegend hier aber bestimmt nicht. Also zückte ich mein Bündel Lei. 
Via Sebes (Mühlbach) und Sibiu (Hermannsstadt) gings nach Fagaras ( Fogaresch). Unterwegs konnte ich öfters Menschen beobachten, welche in den Müllbergen an den Transitraststätten wühlten. In Fagaras besichtigte ich das schöne Schloss aus dem 16 Jh., welches durch einem breiten Wassergraben gesichert ist. Kurz nach Fagaras bog ich rechts auf eine abenteuerlich holprige Strasse voller Schlaglöcher ab. Im Süden konnte man durch den Dunst das mächtige Fagaras-Gebirge mit den bis zu 2500m hohen Gipfeln entdecken. Ueberall waren die Bauern damit beschäftigt, das trockene Gras vor dem drohenden Gewitter in Sicherheit zu bringen. Dafür war stets Handarbeit angesagt, denn nur zum Ziehen der Heuwagen hatte man Pferde oder selten sogar einen Traktor. Zum Glück verzog sich das Unwetter gegen Nordosten und ich erreichte Rasnov trocken.
In Rasnov (Rosenau) versteckten sich früher die Bauern in der Burg auf dem Hügel und spähten durch die kleinen Luken über die weiten Felder bis zu den Karpatenkuppen, geschützt vor plündernden Hunnen oder Türken. Gleich darunter lag der Campingplatz an ruhiger Lage. Da die Wiese sumpfig war, stellte ich mein Zelt am Rande direkt neben ein anderes. An diesem Samstag waren viele Rumänen hier, doch keiner von ihnen hatte ein Zelt dabei. Einer hatte sich aus Aesten und Tüchern ein Zelt gebastelt, die anderen hausten in kleinen, gemieteten Holzhäuschen. 
Auf einen Schlag standen zwei furchterregende Typen in Punkklamotten neben mir. Der eine war einen Kopf grösser als ich und der andere im ganzen Gesicht gepierct. Sie stellten sich als David und Barth(-olomäus) aus Holland vor und waren nette Kerle. Am Abend brannte vor jedem Häuschen und Zelt ein Feuer. Ich sprach mit den jungen Holländern über ihre Reiseerfahrungen mit dem öffentlichen Verkehr in Rumänien im speziellen und Gott und die Welt im allgemeinen. Es herrschte eine tolle, friedliche Stimmung an diesem Abend. Es roch nach Würsten und Schaschlik, rumänische Lieder erklangen und ein Bier folgte dem anderen. Im Rückblick war es der schönste Abend der diesjährigen Reise. 
Am nächsten Morgen sah ich den Ford Escort aus Eger wieder. Das Paar kam aus Neuseeland, hatte sich in England den Wagen gekauft und wollte innerhalb von 6 Monaten ganz Europa von Schottland bis in die Türkei besichtigen. Das defekte Teil, die Servolenkung, hatten sie inzwischen reparieren lassen. Nun wollte ich auf Draculas Spuren wandeln und fuhr nach Bran. Dort steht die legendäre Törzburg aus dem 14. Jh., welche den Bürgern Schutz vor der osmanischen Bedrohung gewährte. Heute wird den Touristen vorgegaukelt, dass Fürst Vlad Drcaul, genannt Vlad Tepes (der Pfähler), hier gehaust habe und sich jeweils als Fledermaus verwandelt von den zahlreichen Zinnen geschwungen habe. Es stimmt zwar, dass er seine Gegner auf Pfähle aufgespiest zur Abschreckung aufstellen liess. Doch angesichts der geltenden Strafen wie verbrennen, ertränken, Glieder abhacken, rädern oder bei lebendigen Leibe begraben, war dies nur eine Konsequenz des erbarmungslosen Mittelalters. 
Am Nachmittag gings dann in die andere Richtung. Brasov (Kronstadt) ist das wichtigste Zentrum von Transsilvanien. Sehenswert ist der dreieckige Stadtplatz mit dem Rathaus, das heute als Museum dient. Ich fuhr direkt auf den Platz und stellte den Burgman am Rande ab. Einen in der Nähe stehenden Polizisten fragte ich, ob das erlaubt sei. Er zog mit den rechten Zeigefinger ein Augenlid herunter um zu zeigen, dass er persönlich meinen Roller bewachen werde. Nach einem kurzen Rundgang vorbei an der riesigen Schwarzen Kirche und dem Hirscherhaus zog es mich auf den Hausberg Brasovs: Timpa (Zinne). Für nur 2 Franken befördert eine Seilbahn die Touristen die 400 Höhenmeter hinauf zum Aussichtsrestaurant und wieder hinunter. Vom Restaurant aus erreicht man nach 10 Minuten Fussmarsch eine Aussichtsplattform mit wunderbarem Blick nach Brasov hinunter und auf die Karpaten. Leider begann es ein wenig zu regnen, sodass man nicht wirklich von Fernsicht reden konnte. Ich zog es vor, in Brasov etwas zu essen und fuhr wieder hinunter. Nahe dem Hauptplatz verspies ich eine wohlschmeckende Pizza "Frutti di Mare" für umgerechnet 3 Franken. Als die Serviertochter fragte, ob sie die Pizza mit Ketchup zudecken solle, musste ich entrüstet abwinken. Scheinbar ist diese kulinarische Unsitte nicht nur in Polen verbreitet. Der Polizist stand immer noch neben meinem Roller, doch aus Angst ihn zu beleidigen, gab ich kein Trinkgeld. Beim Ansehen des Motorrades mit italienischen Kennzeichen, das sich zum Burgman gesellt hatte, näherte sich ein das Besitzer-Paar. Wir tauschten unsere Rumänien-Erfahrungen aus und fachsimpelten übers Motorradreisen. Ausser den schlechten Strassen hatten wir an Rumänien bis jetzt nichts auszusetzen.

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12. August Rusnov   Targu Mures  180 km

Die Strasse von Brasov nach Sighisoara (Schässburg) säumten viele unkoordiniert wirkende Baustellen. Aber überall, wo die Strasse fertig war, präsentierte sie sich in einwandfreiem, meist doppelspurigem Zustand. Nach einem Stau sah ich den Grund für denselbigen: Ein demolierter Wagen lag im Wassergraben. Das gibt mir Gelegenheit, ein paar Worte über die Fahrweise in Rumänien zu verlieren. Gefahren wird normalerweise die Geschwindigkeit, welche der Strassenzustand zulässt. Durch Ortschaften mit gut ausgebauter Dorfstrasse ist Tempo 100 der Normalfall, obwohl nur 60 km/h erlaubt sind. 
Kurz vor Sighisoara wütete ein Schauer und es goss wie aus Kübeln. Der Zeltplatz "Villa Franca" war zwar schön auf einem Hügel gelegen mit herrlicher Sicht auf Sighisoara, doch überall hatte es Wasserlachen und die Wiese war sumpfig. Zudem hatte es nicht einmal fliessendes Wasser (ausser dem Regen) und die einzige sanitäre Einrichtung bestand aus zwei Plumpsklos. In Rusnov hatte es wenigstens eine kalte Dusche gehabt, aber ich wollte mich wieder einaml warm reinigen. Also fuhr ich weiter ins Zentrum. 
Kaum hatte ich meinen Roller abgestellt, kamen schon Kinder angerannt um gegen Entgelt das Fahrzeug zu bewachen. Ein Junge deutete mit einer kreisenden Handbewegung um seinen Bauch an, dass er Hunger hätte. Dabei schob er sich aus einer Tüte ständig Gummibärchen in den Mund und sah wohlgenährt aus. Per Zufall kam noch das italienische Motorradpaar, das ich in Brasov kennengelernt hatte, angebraust. Sighisoara mit seinen 40 000 Einwohnern besitzt einen der vollständigsten mittelalterlichen Architekturen Rumäniens und gilt deshalb als das reizvollste Städtchen Transilvaniens. Ich liess mich vom Stundturm und dem Vlad-Dracul-Haus beeindrucken und keuchte mit den Italienern die Schülertreppe zur Bergkirche hoch. Für meinen Begriff hatte es hier zuviele Touristen, also gab ich dem Gummibärchen 10 000 Lei und fuhr weiter. Auf dem Zeltplatz von Targu Mures erfuhr ich, dass noch ein paar Holzhäuschen für den Preis von 180 000 Lei (6 Euro) pro Nacht zu haben seien. Das Häuschen war sauber und die sanitären Anlagen mit den warmen Duschen vorbildlich. Ich staunte nicht schlecht, als ich die Nachbarin auf der Veranda ein Dutzend Hühner hüten sah. Wahrscheinlich ging sie mit diesen morgen auf den Markt, um ein paar Lei zu verdienen. 
Targu Mures (Neumarkt) mit seinen 180 000 Einwohern beherbergt viele ungarisch-Stämmige, welche besonders stolz auf ihren um 1910 gebauten Kulturpalast sind. Ins Zentrum fuhr ich per Bus, denn erstens war die Endstation gleich neben dem Camping, zweitens gilt in Rumänien auch die Null-Promille-Grenze und drittens war der Burgman sicher aufgehoben. Als ich den Bus bestieg, fiel mir ein offener Geldbeutel voller Scheine und ein Ausweis auf. Ich wollte meinen Fund dem Chauffeur übergeben. Plötzlich kam ein Mann angerannt und wollte sich auf mich stürzen. Es war der Kontrolleur, der draussen eine Rauchpause gemacht hatte und dem das Geld gehörte. Zum Glück erkannten der Fahrer und der Schaffner meine guten Absichten und grinsten. 
Mir gefiel der Hauptplatz mit dem Park gut, liess mich in einem Strassenkaffee nieder und schrieb Ansichtskarten an die Daheimgebliebenen. In einem Restaurant versuchte ich danach ein paarmal erfolglos zu bestellen. Eine freundliche Kellnerin klärte mich in Englisch auf, dass es hier drei Stufen von Bedienung gebe. Sie sei nur fürs Servieren und Abräumen zuständig, die nächsthöhere Kaste nehme die Bestellungen auf und die auf der höchsten Stufe dürften kassieren. Sofort schickte sie eine Kellnerin der Bestell-Stufe zu mir und lächelte mich zum dahinschmelzen an. Es hatte kaum Touristen hier und irgendwie musste ich als Westler erkennbar sein. Nun kann ich jenen glauben, die sagen, es sei nicht schwer, eine rumänische Frau kennenzulernen. Noch zweimal an diesem Abend erhielt ich eindeutig zweideutige Angebote, doch deswegen war ich ja nicht hergekommen. Nach dem guten Abendessen und ein paar Bier nahm ich ein Taxi für die 5 Kilometer zum Zelt und staunte über den Fahrpreis: Nicht mal 1 Euro inklusive Trinkgeld.

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13. August Targu Mures  Marghita  300 km

Nach einer guten Nachtruhe machte ich mich ans Frühstück. Ich musste eingestehen, dass man in einem richtigen Bett besser schläft als im Zelt auf der Luftmatratze, vorausgesetzt man wird nicht von Mücken gefressen. Die Nachbarsfrau mit den Hühnern war bereits gegangen, doch nebenan erwachte ein rumänischer Clan, der gleich 3 Hütten gemietet hatte. Der Patron liess sich ein kaltes Huhn servieren und liess seinen neuen Audi warmlaufen. Es genügte nicht, dass mich die Abgase einnebelten, er musste mir auch noch mit seinen fettigen, ringbestückten Händen auf die Schultern schlagen. Wahrscheinlich verstand ich seine Gastfreundschaft falsch, doch ich war froh als er samt Gefolge losbrauste. Nur die Frauen blieben auf der Veranda zurück und beobachteten mich beim Teetrinken. Kaum hatte ich auf den Schwarztee gezeigt, stand auch schon eine Frau mit einer Tasse neben mir und genoss den warmen Tee. 
Es regnete leicht und es war wie der ganze Aufenthalt in Rumänien für die Jahreszeit viel zu kühl. Doch mir waren 20 Grad zehnmal lieber als 40. In brausender Fahrt ohne viel Verkehr gings durch schöne Landschaften und über eine Hochebene nach Cluj. Cluj Napoca (Klausenburg) mit seinen 330 000 Einwohnern besitzt viele eintönige und verwahrloste Vorstädte errichtet aus Plattenbauten. Napoca soll an die römische Vergangenheit als Provinzstadt erinnern, doch wird der Ort von den Rumänen meistens nur Cluj genannt. Der Gegensatz zum Lande konnte nicht grösser sein, denn hier quälte sich der Verkehr dreispurig durch die Stadt. Ein Besoffener lag auf der Strasse, ihm wurde nur ausgewichen, niemand zog ihn auf den sicheren Gehsteig. Nach Cluj war der Teerbelag für eine Strassensanierung entfernt worden. Eine schmutzige, durchlöcherte Naturstrasse führte bis nach Gilau. Doch der schlimmste Strassenabschnitt kam in Huedin. Die Hauptstrasse war gesperrt, so dass sich der ganze Verkehr durch ein Wohnquartier zwängen musste. Ein Junge hob am Strassenrand einen Stein auf und warf ihn nach mir, ohne zu treffen. Als ich Anstalten machte zum halten, rannte er davon. Ich konnte seine Wut über den Verkehr nachvollziehen, denn die Strasse bestand aus zehn Zentimeter tiefenm Dreck, die Bewohner konnten die Strasse nur unter Lebensgefahr überqueren und wurden mit einem Smog aus Dieselwolken eingedeckt. Zweimal wich ich aufs Trottoir aus, denn ich hatte Angst steckenzubleiben. Zum Glück waren Heidenau-Ganzjahresreifen auf meinem Burgman montiert, denn mit der Originalbereifung hätte der Hinterpneu duchgedreht. Auf dem ganzen Weg durch Rumänien musste ich zugeben, dass ein Enduro-Motorrad geeigneter wäre als ein Roller. 
Richtung Alesd war die Strasse wieder gut und die Schlammschlacht schnell vergessen. Schon nahte die ungarische Grenze, doch weil ich noch vom Tourismus unberührte Dörfer sehen wollte, bog ich nach Marghita ab. Eine haarsträubende Strecke über bewaldete Hügel mit vielen Kurven und unzähligen Schlaglöchern  folgte. An drei Stellen war die rechte Strassenseite abgerutscht und ich konnte direkt in den 15 Meter tiefer liegenden Fluss blicken. Teilweise war Tempo 30 angesagt, denn man musste ständig auf Sichtweite anhalten können: Einmal wegen einem Felsblock auf der Strasse, ein andermal wegen einem umgestürzten Baum. Dafür entschädigten mich die Kinder in den Dörfern für meine Strapazen, denn die Jungen drehten sich bewundernd um und die Mädchen winkten mir zu. 
Todmüde aber heil erreichte ich Marghita. Beim Thermalbad erblickte ich Zelte und bat die alte Frau am Tor um Einlass. Diese deutete aber nur auf ein benachbartes Hotel und machte keine Anstalten, mir aufzuschliessen. Langsam riss mir der Geduldsfaden und ich hielt ihr dass Zelt unter die Nase, doch die Antwort blieb dieselbe: Hotel. Zum Glück kam ein Oesterreicher mit seiner rumänischen Frau hinzu und konnte das Missverständnis aufklären. Ich musste zuerst an der Hotel-Rezeption für die Uebernachtung auf dem Zeltplatz bezahlen. 
Nach dem Errichten meiner vier Stoffwände ging ich durchs Städtchen, um meinen Hunger zu stillen. Das ganze Leben spielte sich hier im Freien ab, überall standen und sassen Leute, schauten den andern zu oder diskutierten. Welch ein Unterschied zu uns, wo nach der Dämmerung niemand mehr draussen anzutreffen ist. Es war gar nicht so einfach, ein Restaurant zu finden, denn alle Kneipen schenkten nur Flüssiges aus. Offenbar liegt es hier nicht drin, auswärts zu essen. Aber endlich fand ich das einzige Esslokal am Platze und konnte mich mit einem guten Stück Fleisch und Bier stärken.

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14. August Marghita   Budapest  300 km

Eigentlich wollte ich nur die 17 km von Marghita nach Sacueni zurücklegen, doch mangels Strassenschilder landete ich nach über 50 Kilometern in Carei. Die Strasse war so holprig, dass eine Geschwindigkeit über 60 km/h nicht drinlag. Doch dafür wurde ich mit beschaulichem Landleben belohnt: Frei weidende Schafherden, schnatternde Gänse, Störche auf Masten und viele Rosskarren säumten meinen Weg. Langsam meldete sich nicht nur mein Hinterteil mit Schmerzen, sondern auch mein Rücken. Ich sehnte mich nach besseren, ungarischen Strassen. Am Zoll wartete ein Schweizer Ehepaar vor mir und ich genoss es, mich wieder einmal mit jemandem in der Muttersprache unterhalten zu können. Der Zöllner nahm es genau und untersuchte den Kofferraum des Wagens, der einige Kisten Wein enthielt. Nachdem ein Bündel Lei den Besitzer gewechselt hatte, wurde der Kofferraum zugeklappt. Jetzt interessierte er sich für meine Seitenkoffer. Doch nach dem Anblick von Gaskocher, Wasser und Brot sah er ein, dass hier nichts zu holen ist und liess mich weiterfahren. Nun gings auf guten Strassen mit Tempo bis zu 140 via Debrecen nach Budapest. Im Jahre 876 liessen sich dort Magyaren nieder und gründeten Buda. Pest auf der anderen Donauseite entwickelte sich ebenfalls zu einer wichtigen Handelsstadt. Erst 1873 wurden die drei Bezirke Buda, Pest und Obuda zur heutigen Millionenstadt Budapest vereint. 
Unglücklicherweise war ich in die "Rush Hour" geraten: In alle Richtungen stand der Verkehr auf bis zu vier Spuren. Zum Verschnaufen fuhr ich aufs Trottoir. Zu meinem Schrecken parkten zwei Polizisten auf Motorrädern neben mir. Hoffentlich ist jetzt keine Busse fällig! Zu meiner Freude interessierten sie sich aber nur für Autofahrer, welche die Tramspur zum Ueberholen benutzten. Ich zeigte dem Polizisten eine Liste mit fünf Campingplätzen. Zwei von denen ständen unter Wasser, zwei seien zu weit weg, doch der "Tennis-Camping" läge nur etwa zwei Kilometer in die Richtung seiner Hand. Unterdessen war ich schon seit zwei Stunden im Stau und hatte die Orientierung verloren. Ohne Stadtplan war man in dieser Millionenstadt verloren, aber sogar mit manchmal auch, doch davon später. Ich sprach einen Grossrollerfahrer an, wo denn der Zeltplatz sei. In akzentfreiem Englisch bot er mir an, mit seiner Honda Helix vorauszufahren. Am Ziel gab er mir noch seine Visitenkarte, er war Doktor der Sprachwissenschaften, und meinte, ich könne ihn bei Problemen jederzeit unter seiner Handynummer erreichen. Wenn alle Rollerfahrer so zusammenhalten würden, könnten die Motorradfahrer neidisch werden. 
Der Campingplatz war tadellos geführt und alles blitzsauber, aber die angeschriebenen Preise waren aus irgendeinem Grunde verdoppelt worden. Am nächsten Tag kaufte ich als erstes einen Stadtplan und fuhr zur Kettenbrücke. Die Aufsicht vom Zeltplatz hatte zwar abgeraten, mit dem Roller durch die Stadt zu fahren, aber ich bin mich ja einiges gewohnt. Nach 500 Metern lag ein überfahrener Hund und nach 2 Kilometern ein angefahrener Motorradfahrer auf der Strasse. Langsam beschlichen mich Zweifel über meinen Entscheid. 
Heil auf dem Burgberg angekommen, genoss ich die Aussicht auf Donau, Regierungspalast und Stadt. Da die Donau Hochwasser führte, waren die Seitenstrassen vorsorglich gesperrt worden. Erst hier erfuhr ich, dass viele Städte und Dörfer in Deutschland, Oesterreich und der Tschechei überschwemmt worden waren. Beim Rückweg fand ich die Strasse "Ut Csömori" schnell, doch sah alles anders aus und die Nummer des Campings gabs gar nicht. Ich musste mich belehren lassen, dass ich zwar an der richtigen Strasse war, aber nicht im richtigen Stadtteil. Gewisse Strassennamen gäbe es in Budapest bis zu 12mal: Was für ein Schwachsinn! Endlich am Zeltplatz angelangt, hatte ich einen neuen Nachbarn erhalten: Andreas aus Deutschland. Er sicherte seine Suzuki Intruder sogar auf dem Campingplatz mit drei mächtigen Ketten und war stolz darauf, dass er sich alleine nach Ungarn getraut hatte. Beiläufig erwähnt ich, dass ich auf dem Rückweg von Rumänien sei, worauf ihm der Kiefer runterklappte. Andreas war extra für den grossen Preis von Ungarn nach Budapest gereist, doch mich reizte der Plattensee mehr als die Formel 1. Jetzt wusste ich auch den Grund für die Preiserhöhung.

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16. August Budapest  Balatonfuered   150 km

Bei der Abfahrt aus Budapest beschlich mich das Gefühl, dass in dieser Stadt immer Stossverkehr ist. Nach einigen Staus war endlich die Autobahn und dann zügig der Plattensee erreicht. Balatonfüred ist mit 15 000 Einwohnern der Hauptort der "Balatoner Riviera". Es ist ein Kurort mit langer Tradition, denn schon 1800 galt er als Geheimtip unter Künstlern, Dichtern und Intellektuellen. Am See gabs keine Zweifel, wer hier in der Mehrzahl ist, denn alle Schilder waren auf Deutsch angeschrieben. Der Campingplatz war ein Dorf für sich mit eigenem Supermarkt, Coiffeursalon, Dutzenden von Kneipen und Privatpolizei. Das Aussuchen eines lauschigen Plätzchens war nicht erlaubt (gabs auch gar nicht), sondern eine Parzellennummer wurde zugewiesen. Auch der Preis von 18 Euro pro Nacht war sehr touristisch. 
Nach den kühlen Temperaturen der letzten 2 Wochen war es wieder schön und 30 Grad heiss geworden. Beim ersten Bad im Plattensee erschrak ich, wie kalt er war. Ich hatte gedacht, dass er bei seiner geringen Tiefe von durchschnittlich 3-4 Metern ein lauwarmer Teich sei. Lange Zeit schaute ich fasziniert dem lautlosen Wasserskilift zu, der knatternde Motorboote überflüssig machte. Scheinbar war der Startvorgang der Schwierigste, denn dort stürzten die meisten Wasserskifahrer unter schadenfreudigem Gelächter der Zuschauer ins Wasser. 
Dem See entlang führte eine riesige Promenade, welche am Abend Tausende zum schlendern ermunterte. Ueberall gab es Gartenbeizen, Verkaufsstände und Strassenmusikanten. Nach einem wunderschönen Sonnenuntergang widmete ich mich den Häuschen, wo alle Weine zum Probieren ausgeschenkt wurden und das bei einem Preis von 40 Rappen pro Eindeziliter-Glas. Stimmung, Atmosphäre und Temperatur liess einem erscheinen, man sei am Mittelmeer. 
Am Morgen stellte ich erfreut fest, dass ich zwar einen flauen Magen aber kein Kopfweh hatte, was für die Qualität des hiesigen Weines sprach. Schlimmer hatte es meinen deutschen Wohnmobil-Nachbarn erwischt, denn er stand erst am Mittag mit einem Eisbeutel auf dem Kopf auf. Er sei auch schon mit dem Motorrad in Rumänien gewesen und würde lieber mit mir herumfahren, als hier zwei Wochen rumzuhängen. Dies trug ihm einen tödlichen Blick seiner Frau ein. Als dann noch eine belgische Invasion, bestehend aus 30 Wohnmobilen in Einerkolonne ankam, war ich nicht unglücklich, das Touristenghetto zu verlassen.

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18. August Balatonfüred   Graz  250 km

Dem Plattensee entlang gings in landschaftlich schöner Umgebung, aber eingebettet in dichten Verkehr, nach Keszthely. Ueberrascht stellte ich fest, wie viele Motorräder unterwegs waren. Irgendwie scheint der Plattensee ein Mekka zu sein. Dann gings auf einsamen Nebenstrassen bis zur Grenze, wo ich in Heiligenkreuz österreichischen Boden befuhr. Sofort fiel mir auf, dass hier wieder zivilisiert gefahren wurde, das heisst, Sicherheitslinien und Tempobeschränkungen beachtet wurden. 
Der Campingplatz in Strassgang bei Graz war schwer zu finden. Die Dame am Empfang meinte nur, das sei Absicht, um die Fremden abzuhalten. Es hatte wirklich fast nur Dauermieter und kaum Stellplätze für Durchreisende. Positiv, dass das riesige Freischwimmbad für Campinggäste kostenlos war. In einer Kneipe fiel mir auf, dass andauernd über Nichtanwesende getratscht wurde. Entweder ist das ein typisches Hobby der Oesterreicher oder ich hörte einfach besser hin als sonst, denn ich verstand endlich wieder die Sprache um mich herum. 
Am nächsten Tag besuchte ich Graz mit seinem sehenswerten Stadtkern mit dem Burghügel. Endlich konnte man sich wieder auf deutsch unterhalten, doch beim Spaziergang durch einen Stadtpark traf ich nur Schwarze an. Gegen Abend waren die Strassen und Kneipen leer, also fragte ich, wo etwas los sei. Die seien alle in der Puntigam-Brauerei am Benefizkonzert für die Ueberschwemmungsopfer. Bei der Fahrt nach Puntigam fiel mir die grosse Anzahl von Nachtklubs auf, scheimbar gibts hier genug Bewerberinnen aus Ungarn und Slowenien. Bei der Brauerei angekommen herrschte Totenstille, sodass ich enttäuscht zum Zelt düste. Bei einem Gutenacht-Bier war Musik zu hören, scheinbar hatte man mich nicht arglistig getäuscht, sondern ich hatte nur am falschen Ort gesucht.

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20. August Graz   Lienz  360 km

Da ich noch nie in Slowenien gewesen war, entschloss ich mich für einen Abstecher nach Maribor. Dank der Autobahn war es ein Katzensprung von Graz aus. Beim Stadtplatz von Maribor fielen mir einige Männer auf, die im Schatten sassen und in ihre Mobiltelefone redeten. Den Burgman stellte ich Anfangs Fussgängerzone hin, wechselte ein paar Euro und nahm das Mittagessen in einem Strassencafé ein. Von dort hatte ich den vollbepackten Burgman immer in Sicht, doch plötzlich verdeckte ihn ein Möbelwagen. Hatten die Männer mit den Handys ein Fahrzeug für den Abtransport meines Burgmans bestellt? Mit Erleichterung sah ich meinen Roller nach dem Essen wieder und die Männer entpuppten sich als Taxifahrer, welche im Schatten auf Kundschaft warteten. 
Eine kurvenreiche, gut ausgebaute Strecke führte von Maribor entlang der Drava nach Dravograd, vorbei an Hopfenfeldern und steilen Hügeln. Wieder in Oesterreich hatte ich nach Villach genug von der Autobahn und entschied mich für einen kleinen Umweg über Ossiacher- und Millstäter-See. Bei der Abzweigung zur Turracherhöhe zog ein mächtiges Gewitter auf. Es goss wie aus Eimern und überall zuckten Blitze. Wenn ich jetzt meine Handschuhe aus dem Topcase holte, würden alle Kleider nass. Also fuhr ich ohne Handschuhe weiter, hatte aber dank der Griffheizung dennoch warme Hände. Zu allem Ueberfluss begann es auch noch zu hageln, sodass die meisten Autofahrer anhielten. Ein Hagelkorn schlug meinen Handrücken blutig, aber dank einem Tempo über 50 hielten die Griffschalen den Hagel fern. Ein Bergbach war über seine Ufer getreten und floss jetzt von rechts her als brauner Strom über die Hauptstrasse. Im Schritt-Tempo gings hindurch und ich spürte, wie die Räder beinahe mitgerissen wurden. Kurz vor Spittal atmete ich auf, denn das Gewitter war heil überstanden. 
Kaum hatte ich das Zelt in Lienz aufgestellt, begann es auch dort wie aus Kübeln zu regnen. Auch am nächsten Tag hielt der Dauerregen an, sodass ich mich auf die Besichtigung von Lienz und eine Bergfahrt zur Dolomitenhütte beschränkte. Die Aussicht dort oben war Null, doch das Gespräch mit den beiden Engländerinnen, welche 4 Stunden hinaufmarschiert waren, bildete einen Aufsteller an diesem trüben Tag. Am Abend kam ein Pärchen aus der Damendusche. Es gehörte zu einer slowakischen Reisegruppe, die mit Bus und Zelten unterwegs war. Die sportlichen Leute wollten den Grossglockner besteigen, mussten aber auf besseres Wetter warten. Der Slowake prahlte mit seinen weiblichen Eroberungen und ich glaubte ihm, denn er war fast einen Kopf grösser als ich, breitschultrig und gutaussehend. Aber was er redete, bei ihm schien alles in die Muskeln investiert worden zu sein, sodass das Gehirn leer ausging. 
Am folgenden Tag herrschte wunderbarer Sonnenschein, somit stand einer Grossglocknertour nichts mehr im Wege. Uebertrieben fand ich die Mautgeführ von 17 Euro, aber was solls, wenn man schon mal hier ist. Der Gletscher unterhalb der Franz-Joseph-Höhe war erschreckend zurückgegangen. Noch in den Sechzigerjahren sei er doppelt so gross gewesen. Der Grossglockner war stets in Wolken gehüllt, nur einmal war er für einige Minuten sichtbar. Ob die Slowaken den Aufstieg gewagt hatten? Nach einem Abstecher zum Hochtor gings wieder zurück nach Lienz. 
Am Abend traf ich in einer Bar eine sympathische Lienzerin, welche sich als Veronika und Anlageberaterin vorstellte. Nachdem ich ihr alles über das schweizerische Altersvorsorge-System mit den drei Säulen AHV, Pensionskasse und private Vorsorge und wann man welche Steuerabzüge tätigen darf, erklärt hatte, sagte sie, sie sei müde und verschwand. Als dann die Barmaid noch zwei Drinks von meiner "Begleiterin" einkassieren kam, erhöhte sich meine Stimmung nicht unbedingt. Zum Glück konnte ich dann mit zwei Lienzern über das von der Schweiz gewonnene Länderspiel Oesterreich-Schweiz fachsimpeln.

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23. August Lienz   Merano  200 km

Eine schöne Strecke führte durchs Südtirol, doch Auto reihte sich an Auto und an Ueberholen war nicht zu denken. Dann gings zügig auf der Brennerautobahn bis Bozen. Es war beeindruckend, wie die Autobahn in dieses Enge Tal hineingebaut worden war. Sie bestand praktisch nur aus Brücken und Tunnels. Nachdem ich meine Kreditkarte gezückt hatte, durfte ich die Strecke Richtung Meran verlassen. In Meran war der Campingplatz vorbildlich ausgeschildert, sodass das Zelt im Nu stand. Das Zentrum war nur einen Kilometer entfernt, so konnte ich den Burgman im diebstahlgefährdeten Italien auf dem Zeltplatz lassen. Beim abendlichen Schlendern durch die Altstadt bei lauen Temperaturen und Pizzaduft in der Luft spürte man den italienischen Geist. 
Die Zeltnachbarn hatten ein riesiges Zelt dabei, vor dem zwei Suzuki-Strassenmaschinen standen. Ohne Gepäckträger werden die wohl ein Begleitfahrzeug haben. Doch das Paar aus Holland band das ganze Gepäck als abenteuerlichen Turm mit Seitentaschen und Spanngurten fest. Ich zog es vor allem auf schlechten Strassen vor, mit Gepäckträger und Koffern zu reisen. Bei ihrer Abfahrt schenkten sie mir noch Trauben, denn für diese hatten sie definitiv keinen Platz mehr.

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25. August Merano   Domaso  200 km

Etwas schlaftrunken fuhr ich am Morgen los. Ein Bus hatte angehalten, um links abzubiegen. Da reger Verkehr entgegenkam und rechts genügend Platz vorhanden war, wollte ich vorbeifahren. Doch ein Autofahrer gab dem Bus den Vortritt als ich direkt hinter im war. Das Heck des Busses scherte aus und warf mich beinahe um. Jetzt nur keinen Unfall auf den letzten Kilometern der Reise! 
Nach Spondigna schraubte sich der Stilfserjochpass Kurve um Kurve in schwindelerregende Höhen. Auf der Passhöhe war ein richtiger Jahrmarkt bestehend aus Radfahrern, Motorradfahrern und Souvenirs. Dann gings via Tirano und Sondrio der Adda entlang Richtung Comersee. Das Dörfchen Domaso gefiel mir, doch hatte man bei mehr als fünf Campingplätzen die Qual der Wahl. Da nur für eine Nacht, liess ich mich im erstbesten nieder und staunte über etwas, was ich bisher noch nie gesehen hatte: Die sanitären Einrichtungen waren für Damen und Herren nicht getrennt. 
Etwas abseits der Hauptstrasse fand ich eine Pizzeria, welche ein Geheimtip sein musste. Praktisch alle Touristen kamen angeströmt und füllten das grosse Restaurant bis auf den letzten Platz. Ich genoss Spaghetti mit Meeresfrüchten, den knackigen Salat mit Balsamico-Sauce und den blumigen Wein: Italienisches Essen ist einfach nicht zu schlagen...

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26. August Domaso   Flims  170 km

In der Nacht hatte Regen eingesetzt, welcher in Dauerregen überging. Die Sonnenstube wurde ihrem Namen nicht gerecht. In zähem Nebel gings die engen Spitzkehren den Splügenpass hinauf. In der Kälte und dem Regen mochten sich weder der italienische noch der schweizer Zöllner aus ihren geheizten Häuschen herausschälen, also fuhr ich durch. In der Schweiz herrschte freundliches Föhnwetter und ich gönnte mir eine Spezialität: Echte Bündner Gerstensuppe.

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27. August Flims   Zuerich  150 km

Ich hatte schon öfters Bilder von der Vorderrheintalschlucht gesehen, war aber noch nie dort. Als letzte Uebernachtung wurde Flims ausgewählt. Der "Grand Canon der Schweiz" war wirklich beeindruckend: 
Warum in die Ferne schweifen, denn das Gute liegt so nah!

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